WILDES KAPITAL 

Sonntag,
28. August

 
 

10.30
Effizient alternativ
Rikscha-Tour vom Schloßplatz ins Hechtviertel mit STAFETA (KünstlerInnen-gruppe, Dresden)
(Material, Flyer: Vorderseite|Rückseite, Ornungsamt)

 
  Am goldenen Reiter fahren die Rikschas ein, die uns durch die Neustadt fahren werden. Die konkurrierenden Teams begrüßen sich mit Handschlag. Wir alle tragen Sonnenbrillen. Dirk Lange, zuständiger Organisator, erzählt, dass die Umkleidekabine der Fahrer beim Auto- und Rikschaverleih ihn an den Raum von der Fahrbereitschaft beim Zivildienst erinnert habe. Wenn die Fahrer auf Kundschaft warten, sagt Dirk, „dann unterhalten sie sich über ihre Mountainbikes.“ Wir fragen den Fahrer, in dessen Rikscha wir sitzen, ob das Geschäft gut läuft. Er ist zufrieden. „Durch das ganze Kulturerbe, was wir hier haben. Das wird von den Touristen sehr gut angenommen.“ Im Hauptberuf ist er beim Personenschutz. Das Fahren sei bezahltes Fitnesstraining. Margit sagt, sie steige in keine Rikscha. Iara sagt, sie habe das Rikschafahren genossen.  

13.30
Städtischer Raum in Dresden: Konserviert oder gentrifiziert
Performance mit spot_off (Kathrin Krahl und Heike Ehrlich)
(Material)

 

Im Stadtteilhaus halten Kathrin Krahl und Heike Ehrlich einen Vortrag über die Gentrifizierung der Neustadt. Charmant streicht Kathrin die Locken ihrer barocken Perücke zurück.

Nach dem bulgarischen Salat interessiert sich Ivaylo Ditchev für das Thema: Warum tragen die Frauen in Deutschland selten Röcke?

 
15.00
Kultur der Sichtbarkeit: Öffentlichkeit & urbane Medien
Javor Gardev (Theaterregisseur, Sofia):
Der Begriff der Schönheit in der Demokratie und visuelle Anarchie im öffentlichen Raum
(Vortragstext)
und Ivan Moudov (Künstler, Sofia): MUSIZ (Museum of Contemporary Art, Sofia)
und Fucking Good Art (independent no budget art fanzine, Rotterdam):
Do it yourself!



Dann widmen wir uns dem Geschmack. Javor Gardev hat Elemente klassifiziert, die den populären Geschmack im bulgarischen Hausbau heute auszeichnen: Burgähnlichkeit / Dreieckigkeit / Schiffsnachahmung / Romantische Ornamente / Behaglichkeit und Folklore. Vermieden werde vor allem die rechteckige Form, wie sie für den Nachkriegsstädtebau mit seinem Wunsch nach einer modernen Gesellschaft in Ost wie West typisch war. Rechteckig ist nicht behaglich. Übrigens: Die mittelalterlichen Burgen kommen schon etwas aus der Mode. Der Trend geht zur luxuriösen Burg.

„There is no underground in Sofia because there is nothing to be under now.“ Zuerst zeigt Ivan Moudov ein Video, auf dem er als Polizist den Verkehr einer Wiener Kreuzung regelt. Als seine Amtsanmaßung auffiel, habe er keine Probleme bekommen, sagt Ivan, „denn ich spreche kein deutsch.“ In einem zweiten Video fährt Ivan mit Kollegen zwanzig Minuten lang im Kreis um einen beliebten Kreisverkehr bei Weimar und verursacht einen gründlichen Stau. Als die Polizei herbeigerufen wurde, habe es keine Probleme gegeben, sagt Ivan, „denn sie sprachen kein Englisch, wie in Wien.“ „Falsch,“ sagt Luchezar, „in Wien hast du kein Deutsch gesprochen.“ Im dritten Video eröffnet Ivan ein nicht vorhandenes Museum für Zeitgenössische Kunst in einem Bahnhof von Sofia. Viele nationale Künstler seien gekommen, sagt Ivan. „Auch die Botschafter sind gekommen, angezogen von der goldenen Einladungskarte.“

Von Nienke und Rob von Fucking Good Art lernen wir etwas über den niederländischen Kulturbetrieb: „Wenn man in den Niederlanden eine gute Idee hat, schreibt man erst mal einen Antrag.“ „Wieviel Energie und Spaß wird da verschwendet!“
Wieder sehen wir vom Balkon des World Trade Center die Sonne untergehen. Die Fesselballons schweben. Bei uns wird geraucht.

 
19.00
Kultur der Sichtbarkeit: Öffentlichkeit & urbane Medien
Pavel Braila und Lilia Dragneva (Künstler/ Filmregisseurin) für Alte Arte TV, Republik Moldau: ALTE ARTE Schaufenster: Kunst im Fernsehen und Fernsehen in der Kunst im Gespräch mit Kerstin Boettger (Geschäftsführerin, Dresden TV) moderiert von Christiane Mennicke (künstlerische Leiterin Wildes Kapital)
Am Abend präsentieren Pavel Braila und Lilia Dragneva Alte Arte TV, ein Magazin über Kunst und Kultur, das zweimal monatlich im staatlichen moldawischen Fernsehen gezeigt und von Künstlern produziert wird. Kerstin Boettger und ihr Mann geben Einblick in das Programm ihres privaten Lokalsenders Dresden TV. Man spricht viel über Formate. Dann gibt es Ärger. Der Ärger dreht sich um die Musik in einem der Beiträge von Alte Arte, um arrogante oder ausweichende oder verständnislose Reaktionen und um Fernsehen, in dem alles so gemacht wird, „wie man das so macht beim Fernsehen“. Es geht um Rücksichtnahme, den Sinn oder Unsinn des Gespräches mit denen, die man nicht schätzt und um die Frage, ob Moldawier kritisiert werden dürfen. Für den nächsten Tag wird eine Aussprache angesetzt.
Die Kneipe am Bautzner Tor ist mir im übrigen in schöner Erinnerung. Die Herren haben Billiard gespielt.