WILDES KAPITAL 

Sonnabend,
27. August

 
 

10.00
Performance in Dresden Prohlis mit Adam Page und Eva Hertzsch (KünsterInnen, Dresden)
(Text mit Fotos)

Die Wohnsiedlung Prohlis wird besucht. Ich gehöre der Gruppe an, die sich als Investorengruppe gekleidet hat. Iara gibt die verschlagenste Investorin ab. Sie trägt elegante Schuhe und kritisiert die Spielführung (Eva Hertzsch und Adam Page), die ihr lange Fußwege zumutet. Die Herren Schmidt und Siekmann setzen ihre Gespräche fort. „Bei Künstlern wird ja Nervosität als Sensibilität gedeutet, bei Ökonomen als Unsicherheit“, sagt Schmidt.
Die Spaghetti im Restaurant in Prohlis sind keine intelligente Wahl, aber fürsorglich für mich klein geschnitten.

 

15.00
Das Individuum und die Zukunft der Stadt
Christoph Schäfer (Künstler, Hamburg/ Park Fiction/ Unlikely Encounters) & Margit Czenki (Filmemacherin, Hamburg/ Park Fiction / Unlikely Encounters):
suitcase criminal city
(Vortragstext)
und Tomislav Medak (Philosopher/
Performer, Zagreb) & Damir Blazevic (Platforma 9,81 Zagreb Cultural Capital of Europe 3000): Constractors: Transformations-
kulturen in einer Stadt jenseits der Planung

Christoph Schäfer und Margit Szenki stellen eine bahnbrechende neue Idee der Stadt Hamburg vor: die Entwicklung einer internationalen Stadt außerhalb deutscher Einwanderungsgesetzgebung in der Freihandelszone des Hamburger Hafens, einer Stadt, in der niemand seine Identität nachzuweisen hat, genannt Suitcase City Grassbrook. Die Tollkühnheit der Hamburger besticht.

Aus dem Vortrag von Tomislav Medak und Damir Blazevic ergibt sich ein Geplänkel über Geld und Profit im Kulturbereich. „We are non-profit. We are non-profit,” sagt Damir.
In den Pausen essen wir Kuchenbleche leer. Von Luchezar erfahre ich, wie man sich im sozialistischen Bulgarien den Künstler vorstellte: Der Künstler hatte lange Haare und einen langen Bart. Er habe mit 17 begonnen, an der Akademie zu studieren, sagt Luchezar. Und es habe ihn gewaltig gefuchst, dass er mit dem vom wirklichen Künstler zu erwartenden Bartwuchs nicht habe mithalten können. Ich erfahre auch, wie es um den Vorsitzenden des Künstlerbundes stand: Er war der größte Künstler.
Das Visual Seminar, über dessen Arbeit wir so viel hören, erklärt Luchezar so:
„Eigentlich ist das Visual Seminar einfach eine pressure group.”

 

19.00
Das Individuum und die Zukunft der Stadt
Uwe Rada (Journalist, Berlin):
...ist die freiheit wohl grenzenlos. zwischen postmoderne und neoliberalismus
und Boyan Manchev (Literaturtheorie und Ästhetik, Universität Sofia):
Futures Only: Der öffentliche Raum im Zeitalter der Fetischisierung des Anorganischen
(Vortragstext, Material)

moderiert von Luchezar Boyadjiev (Visual Seminar, Sofia)

Andreas schlägt vor, in Zossen, um ein Beispiel zu nennen, eine Freihandelszone zu errichten. Dort sollen Briefkastenfirmen angesiedelt werden, um Kapital anzulocken. Das sei mit dem deutschen Rechtssystem nicht vereinbar, sagt Rudi Schmidt. „Warum?“, fragt Andreas, „Haben wir so schlechte Juristen?“

Später spricht Uwe Rada zum Lob des Grenzgängers. Er spricht von „Regionen, in denen kein Kapitalismus mehr stattfindet“, den „spaces of functional irrelevance“, den Zwischenzonen und „dem Temporären als Ressource“. Mit ruhiger Stimme spricht er vom gerade noch und dem noch nicht. Rudi Schmidt ruft auf zur konsistenten Argumentation.

Die Übersetzerin ahmt mit ihrer angenehmen Stimme das Suchen in der Sprache der Sprecher nach. Sie ist braun gebrannt. Beim Übersetzen gestikuliert sie in ihrer Kabine.