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Freitag,
26. August |
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12.00 Die Stadt in den
Augen eines Investors
Führung über den Neumarkt von Arturo Prisco (Tuchhändler,
Dresden / München) |
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Am nächsten Morgen
wird der Tuchhändler Arturo Prisco besucht. Herr Prisco ist
deshalb für uns von Interesse, weil er einer der Investoren
ist, in deren Händen die Neugestaltung einiger Freiflächen
in der Dresdener Altstadt liegt. Der Bau, den Herr Prisco und seine
Freunde planen, soll unter anderem ein 5-Sterne-Hotel beinhalten.
5-Sterne-Hotels scheinen sehr im Kommen zu sein. Er als Tuchhändler,
sagt Herr Prisco, sei innerhalb seiner Investorengruppe im besonderen
für die Innenausstattung des Hotels und für die Kunst
zuständig. „Ich komme aus der Luxusbranche“, sagt
er. Die Einkaufspassage im neuen Bau wird für alle etwas führen:
Typische sächsische Produkte, Baumkuchen, Lebkuchen und erzgebirgische
Volkskunst für die Rucksackträger, und darüber die
Eleganz. Als übersetzt wird, holt Herr Prisco Stühle,
um es allen bequem zu machen. Er trägt helle weiche Hosen.
Er sagt auch: „Dann gehe ich solange dahinten flirten.“
„Ich möchte Sie etwas fragen“, sage ich einmal.
„Ich bin schon verheiratet,“ antwortet Herr Prisco.
Er nennt sich Kommunikator. Ahnung habe er von nichts.
In einem Lokal in der Nähe der Prisco-Passagen und des Goldenen
Reiters wird zu Mittag gegessen. Es soll sich um eine gemäßigte
Touristenfalle gehandelt haben. Ich frage, wie das Essen gewesen
sei. „Normal“, sagen die Bulgaren. Ob es regional spezifisch
gewesen sei. „Normal“, sagen sie.
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15.00 Wege in den Kapitalismus
Jan Wenzel & Anne König (KünstlerInnen, Leipzig):
Denn wir wissen nicht was wir sehen
(Vortragstext)
(Bild2, Bild14,
Bild18 aus dem Vortrag)
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Jan Wenzel und Anne König lassen
uns hören, wie der Kapitalismus klingt. Wir sehen den Augustusplatz
in Leipzig, einen der Plätze des Protestes 1989. Einer der „weiten
leeren Plätze der Moderne“ ist er gewesen, bevor man ihn
hübsch gemacht und „in ein harmonisches Klima des Konsums“
überführt hat, auf dem spontaner Protest nicht mehr möglich
wäre. Dann erinnere ich mich noch gern an ein Zitat von Rolf
Dieter Brinkmann: „Die Bauzäune, Plakate und Verbotsschilder
machen weiter. Die Innenstädte machen weiter. Die Vorstädte
machen weiter.“  |
und Svetla Kazalarska
(Kulturwissen-
schaftlerin, Sofia/ Rave-Stipendiatin Dresden):
Eine WDSIWDK- (WasDusiehstist
wasDukriegst) - City: Der Fall Sofia?
(Vortragstext)
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Dann haben wir im Vortrag
von Svetla Kazalarska an den Überlegungen zur Umnutzung des
Mausoleums von Georgi Dimitrow in Sofia teil. Georgi Dimitrow fühle
ich mich verbunden, da ich an der früheren Dimitroffstraße
in Berlin wohne. Als 1991 das Ostberliner U-Bahnnetz von kommunistischen
Namen befreit werden sollte, weigerte sich der Bezirk Prenzlauer
Berg, die Dimitroffstraße und damit den U-Bahnhof Dimitroffstraße
in Danziger Straße zurückzubenennen. Daraufhin wurde
der Bahnhof nach der unverfänglichen Eberswalder Straße
benannt, deren Namen er bis heute trägt. Was das Mausoleum
betrifft, so schien es sich wegen der geringen Temperatur, die in
ihm herrschte, für physikalische Labore oder Käsereien
besonders zu eignen. Am Ende wurde es abgerissen. Der Abriss war
aufwendig, denn das Mausoleum wurde mit dem Anspruch gebaut, einen
Atomkrieg überstehen zu können. Der Ort wird heute gern
für Bierfeste genutzt. Die Berliner Dimitroffstraße heißt
jetzt auch Danziger Straße. |
19.00
Wege in den Kapitalismus
Prof. Dr. Rudi Schmidt (Institut für Soziologie, Jena):
Peripherer Kapitalismus- Der Fall Ostdeutschland
(Vortragstext)
und Prof. Dr. Ivaylo Ditchev (Kulturtheorie, Kulturgeschichte und
Europastudien, Universität Sofia/ Universität Nanterre
Paris): Simple Raumakkumulation
(Vortragstext)
moderiert von Iara Boubnova (Künstlerische Leiterin Visual
Seminar, Sofia)
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Nun kommt Rudi Schmidt
aus Jena. Wir lernen, den peripheren vom zentralen Kapitalismus
zu unterscheiden. Prof. Schmidt beschreibt die vergangenen 15 Jahre
in Ostdeutschland als eine doppelte Modernisierung und schimpft
über „Angst, Opportunismus und Feigheit“ bei der
unveränderten Übertragung westdeutscher Institutionsmodelle
auf Ostdeutschland: „Die konservative Regierung war –
nu – konservativ.“ Er sagt noch „Westdeutschland
ist auch ein Haifischbecken, da ist schon alles abgegrast“
und „Exzellenz ist nicht egalitär“ und fordert
eine „antidefaitistische Politik“. Rudi Schmidt und
Andreas Siekmann fangen an, sich zu streiten und stehen von nun
an gern nebeneinander. Andreas sei ein Irrlicht, sagt Herr Schmidt.
„Meiner Erfahrung nach ist es leichter zu sprechen als zuzuhören.“
So beginnt Ivaylo Ditchev seinen Vortrag. Ich erinnere mich noch
daran, dass er davon sprach, es sei ein Irrtum zu meinen, der öffentliche
Raum sei im Sozialismus öffentlich gewesen. Er beschreibt den
Raum als „Begrenzung des Kapitalismus“ und sagt über
Bulgarien: „ Der Raum ist verteilt. Nun kann der Kapitalismus
beginnen.“
Wir begehen den späten Abend auf der Terrasse des Lingner Schlosses
und freuen uns über unser glamouröses Leben. |
22.00 Barbecue |
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